Die Mehlmühle in Sandhübel

Das Dorf Sandhübel (Písečná u Jeseníku) unweit von Freiwaldau (Jeseník) wird in mittelalterlichen Urkunden als Wüstekirche bezeichnet. Im 15. Jahrhundert war der Ort wahrscheinlich wirklich wüst, denn um 1559 kommt es zu Aussetzungen, d.h. Verkauf, von Wüstungen an neue Siedler. Sehr wahrscheinlich stammen die Siedler aus der Umgebung von Freiwaldau. Im Zuge der Neubesiedlung taucht dann vermehrt der Name Sandhübel statt der alten Bezeichnung Wüstekirche auf.
Dabei wurde auch eine Mühle errichtet, die 1561 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird.
 

Die Mühle in Sandhübel war eine Erbmühle. Der jeweilige Besitzer konnte die Mühle frei verkaufen oder an seine Nachkommen vererben. Die Erbmüller waren zwar abgabenpflichtig, mussten aber normalerweise keinen oder nur geringen Robot (= Frondienst der Leibeigenen im Feudalismus) leisten. Da es einen Zwang für die Bauern gab, in der ihnen zugewiesenen Mühle mahlen zu lassen, waren die Müller im allgemeinen nicht besonders beliebt. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Erbmühle handelt, kann davon ausgegangen werden, dass die Besitzer mit gleichem Familiennamen jeweils Söhne des vorigen Erbmüllers waren (anders als z.B. bei einer Pachtmühle).
Ein Müllermeister hatte eine Art Universalhandwerk auszuüben, musste auch Zimmerer-, und Schmiedearbeiten ausführen können. In der Regel wird ein Müllergeselle einige Jahre auf Wanderschaft gegangen sein, ehe er die väterliche Mühle übernehmen konnte. Aufgrund des besonderen Standes der Müller (nicht gut gelitten, dennoch in der Regel wohlhabend), heirateten die Jungmüller häufig Müllerstöchter aus entfernteren Orten.
Die Mühle in Sandhübel dürfte eine Wassermühle gewesen sein - in Deutschland kamen Windmühlen erst im Laufe des 17. Jahrhunderts in nennenswerter Zahl zum Einsatz.

I
m gleichen Jahr 1575 kommt es erneut zu einem Besitzerwechsel. Die Mühle ist dann die folgenden 200 Jahre im Besitz von Angehörigen der Müller-Familie Weis(s)er (im Kirchenbuch mitunter auch Weysser bzw. Weißer geschrieben).

  In einem Fall ist die Abstammung durch die Urkunde selbst gesichert: Zacharias und sein jüngster Sohn Christof.
Weiteres können wir aus den Kirchenbüchern schließen: Beim 1728 geborenen Hannß Christoph wird es sich um den gleichen handeln, der 1755 die Mühle erbt. Denn bei der Geburt seines Sohnes wird er als Müllermeister bezeichnet.
  Wegen der fehlenden Trauungseinträge ist es noch ungewiß, ob der am 7.4.1699 geborene Franz identisch mit dem Vater von Hannß Christoph, geb. 11.4.1728, ist - es ist aber doch sehr wahrscheinlich. Schließlich könnte der Vater von Franz/Franciscus Weyßer - Hannß Christoph Weyßer - ein Sohn des 1645 genannten Christoph Weisser sein. Damit wird es recht wahrscheinlich, daß Joannes Franciscus Weysser ein direkter Nachfahre des ersten Müllers Jakob Weisser ist.

   Zu Christoph Weisser und seinem möglichen Sohn Johann (Hannß) Christoph gibt es noch weitere Urkunden in Sandhübel und Böhmischdorf:
 

   Die Erbscholtisei von Böhmischdorf geht von Hans Schroth an Christof Weißer, Müller in Sandhübel, über.    Christof Weisser besitzt auch die Mehlmühle in Lindewiese, denn:
   
       1689 Urbar des Amtes Freiwaldau
       Lindewiese
(Lipová): Die Mehlmühle mit zwei Gängen gehört Christof Weisser, Scholz in Böhmischdorf. Er zinst 22 fl Mahlgeld und 8 Malter 4 Scheffel Getreide.

  
In zwei aufeinanderfolgenden Generationen besitzen also die Müller aus Sandhübel mindestens eine weitere Mühle, sowie eine Scholtisei.
   Wenn man also in den Urkunden des Altvaterlandes weitere Müller mit dem Namen Weiser findet, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie aus derselben Familie stammen.
   Ob es sich immer um denselben Christof gehandelt hat, oder schon sein Sohn Hanß Christoph gemeint war, ist unklar. Der Sohn von Zacharias muss vor 1625 geboren sein,
   und zuletzt hören wir 1705 von Christof Weisser. Er müsste demnach über 80 Jahre alt geworden sein. Dies ist zwar ein ungewöhnlich hohes Alter für jene Zeit, wird aber bestätigt durch das Kirchenbuch Freiwaldau:

       9.8.1705:
       Christoph Weyser
       geweßener ErbMiller in
       Sandthiebel aetat 83 Jahr
       obiit
   

    Weiterhin findet man:
      
        1722 Steuerfassion Petersdorf
(Petrovice):
Petersdorf Scholz Anton Hesse, hat 6 Viertel Schafe, 12 Kühe, Aussaat 13 Malter 4 Scheff., 65 ha, seine Unterthanen: Schmied, Schuster, Fleischer, Müller (Hans Christof Weiser) und 7 Gärtler.
   
 
   Möglicherweise handelt es sich sogar wieder um den Müller aus Sandhübel gleichen namens.

       1722 Steuerfassion Wildschütz
(Vlčice):
       Tobias Weisserin 1 Malt. (es handelt sich also um die Witwe eines Tobias Weisser)

Weitere interessanten Nachrichten aus der Umgebung von Freiwaldau:

        1734. Auf die, von alters genannten Hanelwiesen in Böhmischdorf, so zu unserem fürstbischöflichen Vorwerk Freiwaldau gehören,
        aber wegen  Entlegenheit nicht recht genützt werden können, sondern um kleinen Zins vermietet waren, zwischen Bielefluß und
        Sandhübler Mühlgraben gelegen, darf Anton Weißer, Müller von Lindewiese, einen Kretscham bauen mit Bier- und Branntweinschank,
        Brot- und Semmelbacken, Salz- und Mehlhandel, Schuster, Schneider und Fleischerei. Robot sowie die anderen ausgesetzten Gärten.
        Nach der Erbauung 90 rhein. Guld. Zins. Dazu bekommt er einen Auenfleck zur Erbauung eines Gaststalles über der Straße. Grdb.

        1752. Anton Weißer kauft seines Vaters Niederkretscham in Böhmischdorf. Grdb.

       Ferner Mitte des 18. Jahrhunderts einen Ignatz Weißer und seine Ehefrau Magdalena, bezeichnet als Erbkrätschmer von Böhmischdorf.
       Dieses Paar taucht wiederholt als Paten bei den Kindern von Hannß Christoph Weißer zwischen 1753 und 1770 auf.

Hier erfahren wir von einem weiteren Müller namens Anton Weißer, der in Böhmischdorf einen Kretscham errichtet, also ein Gasthaus bzw. eine Schänke. Dieser Kretscham wird von seinem Sohn Anton später übernommen. Anton Weißer sen. war Müller von Lindewiese - wie wir weiter oben gelesen haben, war die Mühle in Lindewiese bereits im Besitz der gleichen Familie Weißer. Tatsächlich heiratet Anton Weyser, Sohn des Erbscholzen Christoph Weyser aus Böhmischdorf, im Jahr 1686 nach Lindewiese. Es sieht also so aus, als ob der wohlhabende Müller und Erbscholz Christoph Weyser die Mühle in Sandhübel an seinen Sohn Hannß Christoph vererbt, jene in Lindewiese an seinen Sohn Anton. Die Scholtisei in Böhmischdorf geht an seinen Schwiegersohn Georg Böhm, der mit seiner Tochter Agnetha verheiratet ist. Weiterhin sind auch die Ehen drei weiter Töchter von Christoph Weyser beurkundet.

Joannes Franciscus Weyßer (geb. 1763), obwohl nach Lage der Kirchenbücher  einziger Sohn des Erbmüllers Hannß Christoph Weißer, wird nur als Bauer in Sandhübel geführt. Was das bedeutet, ist bislang unklar - möglicherweise ein Besitzerwechsel der Mühle? Oder aber Aufgabe des Müllergewerbes? Fünf der acht Schwestern von Joannes Franciscus verstarben sehr jung.

Danach sind meine Vorfahren nicht mehr die ältesten Söhne ihrer Eltern, sondern mitunter die jüngsten - und damit einher findet der Übergang in das Gärtler- und Tagelöhner-Dasein statt. Aus den Nachfahren wohlhabender Müller waren arme Leute der Unterschicht des 19. Jahrhunderts geworden.

In verschiedenen Orten um Freiwaldau werden schon zur Zeit der Stellenaussetzungen und danach immer wieder Bauern mit dem Namen Weiser erwähnt.
    Endersdorf
(Ondřejovice) 1579: Thomas Weiser, Martin Weiser; 1678-79: Hans Weisser, Georg Weisser; 1735: Georg Weisser, Scholz
    Lindewiese
(Lipová) 1576: Merten Weiser; 1585: Merten Weisser
    Ramsau
(Ramzová) 1791: Ferdinand Weiser, Karl Weiser
    Böhmischdorf
(Česká Ves) 1646: Greger Weißer; 1668-1673: Andreas Weyßer*, Christoph Weyßer*
    Domsdorf
(Tomíkovice) 1730: Weißer
    Thomasdorf
(Domašov) 1668-1673: Kasper Weißer*
    Niklasdorf (Mikulovice u Jeseníku) 1630: Georg Weißer
    Sandhübel
(Písečná) 1668-1673: Michael Weißer*; 1717: Georg Weyser
    Krautenwalde
(Travná) 1651: Martin Weiser (Kirchenvater); 1672: Michel Weiser
    Saubsdorf
(Supíkovice) 1790: Weiser

Zweimal trug der Pfarrer von Freiwaldau den Namen Weiser:

    1559-1560    Johann Weiser, vorher verheiratet
    1623-1638    Johann Weiser; unter ihm wurde der Gelöbnistag in der Fronleichnamsoktav eingeführt
   
(Quelle: Freiwaldau-Gräfenberg, R. Fochler (Hrsgbr.), Kirchheim/Teck 1987, S.185)

(Urkundlichen Erwähnungen zitiert nach: Angela Drechsler, Altvaterland, Band 1, Olmütz 1928, außer *: Josef Ehrlich, Familien in der Pfarrei Freiwaldau 1668-1673, Sudetendeutsche Familienforschung, Jahrg. 7, 1934-35, S.146-148)

Hausnummern (die sog.Konskriptionsnnummern) wurden in Österreich um 1770 eingeführt.
In den Kirchenbüchern haben die Hausnummern den Vorteil, dass man Familien gut zuordnen kann.
In den Jahrzehnten davor ist es leider umso schwieriger, die Familien auseinander zu halten.

Hausnummern in Sandhübel
Nr.
Familie
Zeit
Bemerkungen
14
Leßmann


22
Kriegisch


25
Muntzger

Müller
28
Weißer, Johann Georg


41
Johann Weißer & Ignatz Weiser


42
Weißer/Weiser

(ehem. Müllerfamilie)
97
Ignaz Weißer
1832



Hausnummern in Böhmischdorf
Nr.
Familie
Zeit
Bemerkungen
5
Gauer


22
Scholz


83
Heckel
1845
Kretscham
84
Prießnitz (Johann Caspar & Anton)
1780-1840
Scholtisei















  Beginnend bei meinem Ur-Ur-Großvater Vincenz Weiser aus Wildschütz (Vlčice) stellt sich die Generationsfolge wie folgt dar:

Ahnen Vincenz Weiser
b. = Geburtsdatum
m. = Heiratsdatum
d. = Sterbedatum
occ. = Beruf

Alle Ahnen von Vincenz Weiser auf einen Blick!


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