Die Mehlmühle in
Sandhübel
Das Dorf Sandhübel
(Písečná u Jeseníku) unweit von Freiwaldau
(Jeseník) wird
in mittelalterlichen Urkunden als Wüstekirche bezeichnet. Im 15.
Jahrhundert
war der Ort wahrscheinlich wirklich wüst, denn um 1559 kommt es zu
Aussetzungen, d.h. Verkauf, von Wüstungen an neue Siedler. Sehr
wahrscheinlich stammen die Siedler aus der Umgebung von Freiwaldau. Im
Zuge der Neubesiedlung taucht dann vermehrt der Name
Sandhübel
statt der alten Bezeichnung Wüstekirche auf.
Dabei wurde auch eine
Mühle
errichtet, die 1561 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird.
1561 Es verkaufet der
Peter
Körnichen dem Hans Lauer die Mühle zu Wüstekirche, so er
mit Zulassung von fürstl. Gnaden neu erbauet und 1 Hube Erbes, so
dazu ausgesetzt, um 36 Mk. Fürstl. Gnaden 2 Teil, Müller 1
Teil
vom Ertrag. 30 gr. Zins und 2 Paar Hühner. 4 Tage Robot.
1575 Steffen Fischer,
Scholz
in Böhmischdorf (Pehemischendorff) kauft von Hans Lauer die
Mehlmühle
auf dem Sandhübel mit Garten in der Auen gelegen erblich um 100
schwere
Mk. Zins 2 Malter Korn. 3 Th für Schweinemastung.
Böhmischdorf,
tschechisch Česká Ves
Die Mühle in
Sandhübel war eine Erbmühle. Der jeweilige Besitzer konnte
die Mühle frei verkaufen oder an seine Nachkommen vererben. Die
Erbmüller waren zwar abgabenpflichtig, mussten aber normalerweise
keinen oder nur geringen Robot
(= Frondienst der Leibeigenen im Feudalismus) leisten. Da es einen
Zwang für die Bauern gab, in der ihnen
zugewiesenen Mühle mahlen zu lassen, waren die Müller im
allgemeinen nicht besonders beliebt. Aufgrund der Tatsache, dass es
sich um eine Erbmühle handelt, kann davon ausgegangen werden, dass
die Besitzer mit gleichem Familiennamen jeweils Söhne des vorigen
Erbmüllers waren (anders als z.B. bei einer Pachtmühle).
Ein Müllermeister hatte eine Art Universalhandwerk auszuüben,
musste auch Zimmerer-, und Schmiedearbeiten ausführen können.
In der Regel wird ein Müllergeselle einige Jahre
auf Wanderschaft gegangen sein, ehe er die väterliche Mühle
übernehmen konnte. Aufgrund des besonderen Standes der Müller
(nicht gut gelitten, dennoch in der Regel wohlhabend), heirateten die
Jungmüller häufig Müllerstöchter aus entfernteren
Orten.
Die Mühle in Sandhübel dürfte eine Wassermühle
gewesen
sein - in Deutschland kamen Windmühlen erst im Laufe des 17.
Jahrhunderts in nennenswerter Zahl zum Einsatz.
Im
gleichen Jahr 1575 kommt es erneut zu einem Besitzerwechsel. Die
Mühle
ist dann die folgenden 200 Jahre im Besitz von Angehörigen der
Müller-Familie
Weis(s)er (im Kirchenbuch mitunter auch Weysser bzw. Weißer
geschrieben).
1575 Steffen Fischer,
Scholz
in Behmischdorff verkauft die Mehlmühle in der Aue mit Garten zum
Sandhübel an Jakob Weisser.
1599 von seinen
Brüdern
kauft die Mühle in Sandhübel sambt Garten Michel
Weisser.
1645 Zacharias
Weisser, Müller zum Seiffen (gemeint
ist der Ort Kaltseifen, Studený Zejf), verkauft
die Mühle in Sandhübel seinem jüngsten Sohn Christof
Weisser.
Interessant sind die
weiteren Urkunden zu Zacharias Weisser:
1630 Kaltseifen:
Mühle von Hans Buchmann an Zacharias
Weißer, Müller von Sandhübel
1649 Mühle von Zacharias
Weißer an Merten Kolbe um 400 Mk.
und:
1646 Kaltseifen:
Scholtisei von August Becke an den Müller Zacharias Weißer vom
Sandhübel um 300 Mk.
1649 Zacharias Weißer
an Paul Stenzel aus Böhmischdorf um 288 schwere Mark
zurück nach
Sandhübel:
1748 Scholtisei und
Gemeinde
säet 76 Malter. Ignatz Schroth, Erbscholz, säet 4 Malter auf
die Scholtisei, aufs Bauerngut 2 Malter (eine Hube wird zu 4 Malter
oder
17 ha gerechnet). Zins von Robotklötzern und Pochhütte zahlt
die Gemeinde 5 Th. Es sind 40 Zinsbauern. Franz
Weißer, der Müller. (Landes
A. Troppau)
1755 Von den Erben
Weisser
die Mehlmühle in Sandhübel an Meister Johann
Christof Weisser.
In
einem Fall ist die Abstammung durch die Urkunde selbst gesichert:
Zacharias
und sein jüngster Sohn Christof.
Weiteres können wir aus
den Kirchenbüchern schließen:
7.4.1699: * Franciscus
Weyßer
Vater: Hannß
Christoph Weyßer, Müller
Mutter: Anna Maria
(die Trauung der Eltern
wurde
in Freiwaldau nicht gefunden)
11.4.1728: * Hannß
Christoph Weyßer
Vater: Frantz Weyßer,
Erbmüller in Sandhübel
Mutter: Anna Hedwig Ehrlich
(die Trauung der Eltern
wurde
in Saubsdorf/Supíkovice gefunden: 29.04.1720)
Beim
1728 geborenen Hannß Christoph wird es sich um den gleichen
handeln,
der 1755 die Mühle erbt. Denn bei der Geburt seines Sohnes wird er
als Müllermeister bezeichnet.
4.4.1763: * Joannes
Franciscus Weyßer, Bauer in
Sandhübel
Vater: Hannß Christoph
Weyßer, Müllermeister
Mutter: Hedwig
Prießnitz
Wegen
der fehlenden Trauungseinträge ist es noch ungewiß, ob der
am
7.4.1699 geborene Franz identisch mit dem Vater von Hannß
Christoph,
geb. 11.4.1728, ist - es ist aber doch sehr wahrscheinlich.
Schließlich
könnte der Vater von Franz/Franciscus Weyßer - Hannß
Christoph Weyßer - ein Sohn des 1645
genannten
Christoph Weisser sein. Damit wird es recht wahrscheinlich, daß
Joannes
Franciscus Weysser ein direkter Nachfahre des ersten Müllers Jakob
Weisser ist.
Zu Christoph
Weisser
und seinem möglichen Sohn Johann (Hannß) Christoph gibt es
noch
weitere Urkunden in Sandhübel und Böhmischdorf:
1651. Der Scholz von
Böhmischdorf,
Hans Schrott, bittet den Bischof um Schutz, weil er das Kaufgeld
für
die Scholtisei nicht voll bezahlen kann, da er durch den Krieg
geschädigt
ist.
Die Erbscholtisei
von
Böhmischdorf geht von Hans Schroth an Christof Weißer,
Müller
in Sandhübel, über.
1689. Christof
Weißer
verkauft dem Kaspar Haschke die Erbscholtisei in Böhmischdorf samt
Kretscham, schlachten und backen, Schneider, wie es der Originalbrief
behauptet,
um 975 schwere Mk. Der Verkäufer zieht sich aus das freie
Ackerstück
"die Wüstung", die er behält. Er verkauft sie erst 1705 an
seinen
Eidam Georg Böhm. Sie liegt beim Viehweg. Grdb.
1698
(Böhmischdorf).
Der Scholze Christof Weiser
hat freie Scholtisei mit 2 Huben, 6 Ruten
und
der Wüstung, Kretscham, schlachten, backen, Schmied, Schneider.
Zins
7 fl. 36 kr.
Christof Weisser
besitzt
auch die Mehlmühle in Lindewiese, denn:
1689
Urbar des Amtes Freiwaldau
Lindewiese (Lipová):
Die Mehlmühle mit zwei Gängen gehört Christof Weisser, Scholz in
Böhmischdorf. Er zinst 22 fl Mahlgeld und 8 Malter 4 Scheffel
Getreide.
In zwei aufeinanderfolgenden Generationen besitzen
also die Müller aus Sandhübel mindestens eine weitere
Mühle, sowie eine Scholtisei.
Wenn man also in den Urkunden des Altvaterlandes weitere
Müller mit dem Namen Weiser findet, ist es nicht unwahrscheinlich,
dass sie aus derselben Familie stammen.
Ob es sich immer um denselben Christof gehandelt hat, oder
schon sein Sohn Hanß Christoph gemeint war, ist unklar. Der Sohn
von Zacharias muss vor 1625 geboren sein,
und zuletzt hören wir 1705 von Christof Weisser. Er
müsste demnach über 80 Jahre alt geworden sein. Dies ist zwar
ein ungewöhnlich hohes Alter für jene Zeit, wird aber
bestätigt durch das Kirchenbuch Freiwaldau:
9.8.1705:
Christoph Weyser
geweßener ErbMiller in
Sandthiebel aetat 83 Jahr
obiit
Weiterhin findet man:
1722
Steuerfassion Petersdorf (Petrovice):
Petersdorf Scholz Anton Hesse, hat 6
Viertel Schafe, 12 Kühe,
Aussaat 13 Malter 4 Scheff., 65 ha, seine Unterthanen: Schmied,
Schuster, Fleischer, Müller (Hans
Christof Weiser) und 7 Gärtler.
Möglicherweise handelt es sich sogar
wieder um den Müller aus Sandhübel gleichen namens.
1722
Steuerfassion Wildschütz (Vlčice):
Tobias
Weisserin 1 Malt. (es handelt sich also um die Witwe eines
Tobias Weisser)
Weitere interessanten Nachrichten aus
der Umgebung von Freiwaldau:
1734.
Auf die, von alters genannten Hanelwiesen in Böhmischdorf, so zu
unserem fürstbischöflichen Vorwerk Freiwaldau gehören,
aber wegen Entlegenheit nicht recht genützt werden
können, sondern um kleinen Zins vermietet waren, zwischen
Bielefluß und
Sandhübler Mühlgraben gelegen, darf Anton Weißer, Müller
von Lindewiese, einen Kretscham bauen mit Bier- und Branntweinschank,
Brot- und Semmelbacken, Salz- und Mehlhandel, Schuster, Schneider und
Fleischerei. Robot sowie die anderen ausgesetzten Gärten.
Nach der Erbauung 90 rhein. Guld. Zins. Dazu bekommt er einen Auenfleck
zur Erbauung eines Gaststalles über der Straße. Grdb.
1752.
Anton Weißer kauft
seines Vaters Niederkretscham in Böhmischdorf. Grdb.
Ferner Mitte des 18. Jahrhunderts einen Ignatz Weißer und seine
Ehefrau Magdalena, bezeichnet als Erbkrätschmer von
Böhmischdorf.
Dieses Paar taucht wiederholt als Paten bei den Kindern von Hannß
Christoph Weißer zwischen 1753 und 1770 auf.
Hier erfahren wir von einem weiteren Müller namens Anton
Weißer, der in Böhmischdorf einen Kretscham errichtet, also
ein Gasthaus bzw. eine Schänke. Dieser Kretscham wird von seinem
Sohn Anton später übernommen. Anton Weißer sen. war
Müller von Lindewiese - wie wir weiter oben gelesen haben, war die
Mühle in Lindewiese bereits im Besitz der gleichen Familie
Weißer. Tatsächlich heiratet Anton Weyser, Sohn des
Erbscholzen Christoph Weyser aus Böhmischdorf, im Jahr 1686 nach
Lindewiese. Es sieht also so aus, als ob der wohlhabende Müller
und Erbscholz Christoph Weyser die Mühle in Sandhübel an
seinen Sohn Hannß Christoph vererbt, jene in Lindewiese an seinen
Sohn Anton. Die Scholtisei in Böhmischdorf geht an seinen
Schwiegersohn Georg Böhm, der mit seiner Tochter Agnetha
verheiratet ist. Weiterhin sind auch die Ehen drei weiter Töchter
von Christoph Weyser beurkundet.
Joannes Franciscus Weyßer (geb. 1763), obwohl nach Lage der
Kirchenbücher einziger Sohn des Erbmüllers
Hannß
Christoph Weißer, wird nur als Bauer in Sandhübel
geführt. Was das bedeutet, ist bislang unklar -
möglicherweise ein Besitzerwechsel der Mühle? Oder aber
Aufgabe des Müllergewerbes? Fünf der acht Schwestern von
Joannes Franciscus verstarben sehr jung.
Danach sind meine Vorfahren nicht mehr die ältesten Söhne
ihrer Eltern, sondern mitunter die jüngsten - und damit einher
findet der Übergang in das Gärtler- und
Tagelöhner-Dasein statt.
Aus den Nachfahren wohlhabender Müller waren arme Leute der
Unterschicht des 19. Jahrhunderts geworden.
In verschiedenen Orten um Freiwaldau werden schon zur Zeit der
Stellenaussetzungen und danach immer wieder Bauern mit dem Namen Weiser
erwähnt.
Endersdorf (Ondřejovice) 1579: Thomas Weiser, Martin Weiser;
1678-79: Hans Weisser, Georg Weisser; 1735: Georg Weisser, Scholz
Lindewiese (Lipová) 1576: Merten Weiser; 1585: Merten Weisser
Ramsau (Ramzová) 1791: Ferdinand Weiser, Karl Weiser
Böhmischdorf (Česká Ves)
1646: Greger Weißer; 1668-1673: Andreas Weyßer*, Christoph
Weyßer*
Domsdorf (Tomíkovice) 1730: Weißer
Thomasdorf (Domašov) 1668-1673:
Kasper Weißer*
Niklasdorf (Mikulovice u Jeseníku) 1630: Georg Weißer
Sandhübel (Písečná)
1668-1673: Michael Weißer*; 1717: Georg Weyser
Krautenwalde (Travná) 1651: Martin Weiser (Kirchenvater); 1672: Michel Weiser
Saubsdorf (Supíkovice) 1790: Weiser
Zweimal trug der Pfarrer von Freiwaldau den Namen Weiser:
1559-1560 Johann Weiser, vorher
verheiratet
1623-1638 Johann Weiser; unter ihm
wurde der Gelöbnistag in der Fronleichnamsoktav eingeführt
(Quelle: Freiwaldau-Gräfenberg, R. Fochler (Hrsgbr.),
Kirchheim/Teck 1987, S.185)
(Urkundlichen
Erwähnungen zitiert nach: Angela Drechsler, Altvaterland, Band 1, Olmütz
1928,
außer *: Josef
Ehrlich, Familien in der Pfarrei Freiwaldau 1668-1673, Sudetendeutsche
Familienforschung, Jahrg. 7, 1934-35, S.146-148)
Hausnummern
(die sog.Konskriptionsnnummern) wurden in Österreich um 1770
eingeführt.
In den Kirchenbüchern haben
die Hausnummern den Vorteil, dass man Familien gut zuordnen kann.
In den Jahrzehnten davor ist es
leider umso schwieriger, die Familien auseinander zu halten.
Hausnummern in
Sandhübel
|
Nr.
|
Familie
|
Zeit
|
Bemerkungen
|
14
|
Leßmann
|
|
|
22
|
Kriegisch
|
|
|
25
|
Muntzger
|
|
Müller
|
28
|
Weißer,
Johann Georg
|
|
|
41
|
Johann
Weißer & Ignatz Weiser
|
|
|
42
|
Weißer/Weiser
|
|
(ehem.
Müllerfamilie)
|
97
|
Ignaz Weißer
|
1832
|
|
Hausnummern in
Böhmischdorf
|
Nr.
|
Familie
|
Zeit
|
Bemerkungen
|
5
|
Gauer
|
|
|
22
|
Scholz
|
|
|
83
|
Heckel
|
1845
|
Kretscham
|
84
|
Prießnitz
(Johann Caspar & Anton)
|
1780-1840
|
Scholtisei
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Beginnend bei meinem
Ur-Ur-Großvater Vincenz Weiser aus Wildschütz (Vlčice)
stellt sich die
Generationsfolge wie folgt dar:
b. = Geburtsdatum
m. = Heiratsdatum
d. = Sterbedatum
occ. = Beruf
Alle
Ahnen von
Vincenz Weiser auf einen Blick!
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email: peter_weiser (at) t-online.de